Bewusstsein

Bewusstsein und Gewahrsein sind zwei verschiedene Dinge. Bewusstsein ist wie ein Ozean. Das normale menschliche Bewusstsein ist in der Regel begrenzt, doch im höheren, göttlichen Bewusstsein dehnt sich alles aus und wächst in ein erfüllenderes Licht hinein. Sri Chinmoy beschreibt, welche Bewusstseinsebenen es gibt, was das höchste Bewusstsein ist und wie man es erlangen kann.

Kann ein Mensch das Unendliche erkennen?

Sri Chinmoy: Sicherlich. Wenn du in mein Bewusstsein eintreten könntest, dann würdest du das Unendliche erkennen.

Sind Sat, Chit und Ananda alle auf derselben Ebene oder auf verschiedenen Ebenen?

Sri Chinmoy: Sat-Chit-Ananda ist ein dreifaches Bewusstsein. „Sat“ ist Sein, „Chit“ ist Bewusstsein, und „Ananda“ ist Glückseligkeit. Du kannst sie trennen, wenn du willst, und gleichzeitig kannst du sie als eines ansehen. Wenn jemand Sein erlangt, dann findet er im Sein auch Bewusstsein. Und wenn jemand Bewusstsein hat, dann ist darin auch Glückseligkeit. Es ist wie bei einer Wohnung oder einem Stück Land. Du kannst dem Stück Land einen Namen geben, oder wenn du es teilen willst, kann jedes Stück einen anderen Namen tragen. Doch die Wirklichkeit des einen Teils wird unweigerlich im anderen zu finden sein. Sie ergänzen einander.
Sat-Chit-Ananda ist das dreifache Bewusstsein auf der höchsten Ebene, und diese Ebene ist nur für die wenigen Auserwählten. Sat-Chit-Ananda zu erreichen, ist etwas außerordentlich Schwieriges. Vielleicht zwanzig oder dreißig Meister haben es erreicht und sind auf dieser Ebene geblieben, aber höchstens ein oder zwei können es verkörpern. Einige Meister haben diese Ebene erreicht und sind sofort wieder herabgekommen, da sie zu hoch für sie war. Es ist viel leichter, den erleuchteten Verstand oder den Supermind zu erreichen, doch Sat-Chit-Ananda ist absolut das Höchste. Dieses Bewusstsein ist fast unmöglich zu erlangen, selbst für spirituelle Meister.

Könntest du bitte kurz über die verschiedenen Bewusstseinsebenen sprechen?

Sri Chinmoy: Es gibt drei Hauptzustände des Bewusstseins: Jagriti, Swapna und Sushupti. Jagriti ist der Wachzustand, Swapna ist der Traumzustand und Sushupti ist der Zustand des Tiefschlafs. Wenn wir im Wachzustand sind, ist unser Bewusstsein nach außen gerichtet; wenn wir im Traumzustand sind, ist unser Bewusstsein nach innen gerichtet, und wenn wir im Zustand tiefen Schlafes sind, bewegt sich unser Bewusstsein im Jenseits.
Wenn wir uns im Wachzustand befinden, heißt die Identifikation, die wir mit etwas oder jemandem machen, Vaishwanara, das, was allen Menschen gemeinsam ist. Wenn wir im Traumzustand sind, identifizieren wir uns mit Tejasa, welches unsere innere leuchtende Fähigkeit ist, unsere innere Kraft. Und wenn wir in tiefen Schlaf eintreten, identifizieren wir uns mit dem Subtilen und erfahren das Subtile. In diesem dritten Zustand haben wir es nicht mit dem mentalen Bewusstsein, nicht mit dem intellektuellen Bewusstsein, sondern mit dem inneren intuitiven Bewusstsein zu tun. In Sushupti gibt es keine kollektive Form; alles ist unbestimmt; alles ist eine unendliche Masse. In diesem Zustand erhalten wir eine Erfahrung von sehr hohem Rang.
Es gibt noch einen vierten Zustand, Turiya, das transzendentale Bewusstsein. Dieses Bewusstsein ist weder äußerlich noch innerlich; gleichzeitig ist es sowohl äußerlich als auch innerlich. Es ist und es ist nicht. Es hat die Fähigkeit, sich mit allem und jedem in der Welt zu identifizieren, und zugleich hat es die Fähigkeit, alles und jedes auf Erden zu transzendieren. Darüber hinaus transzendiert es sich ständig selbst. Turiya ist der höchste Zustand des Bewusstseins, aber es gibt kein Ende, keine feste Grenze für das Turiya-Bewusstsein. Es transzendiert und übersteigt beständig sein eigenes Jenseits.
Der Turiya-Zustand ist wie auf dem Wipfel eines Baumes zu sein. Wenn wir uns am Fuße des Baumes befinden, sehen wir mit großer Schwierigkeit ein wenig von dem, was um uns herum ist. Wenn wir uns aber auf dem Baumwipfel befinden, sehen wir alles um uns herum und unter uns. Wenn wir also in den Zustand von Turiya eintreten, haben wir die höchste Ebene des Bewusstseins erreicht. Von dort aus können wir alles überblicken.
Um in den Turiya-Zustand einzutreten, müssen wir mindestens fünf oder zehn Minuten am Tag bewusst unseren Körper von unserer Seele trennen. Wir müssen sagen und fühlen: „Ich bin nicht der Körper; ich bin die Seele.“ Wenn wir sagen: „Ich bin die Seele,“ dann kommen sofort die Eigenschaften der Seele zum Vorschein. Wenn wir eins mit der Seele sind, dann ist dieser Zustand eine Art von Samadhi. Wir können in diesem Zustand sicher und effektiv funktionieren.

Wie kann ich an meinem Bewusstsein arbeiten?

Sri Chinmoy: Denke gar nicht daran, etwas zu tun. Halte einfach die Tür deines Bewusstseins offen, um zu sehen, ob es ein Dieb oder ein Gast ist, der hereinkommt. Erlaube nur solchen Gedanken einzutreten, die du haben willst. Lass die niederen Gedanken draußen. Öffne die Tür den höheren, erhabeneren Gedanken. Das ist der erste Schritt, um an deinem Bewusstsein zu arbeiten. Die weiteren Schritte werden von innen her zu dir kommen.

Haben wir Kontrolle über unser Bewusstsein?

Sri Chinmoy: Ein gewöhnlicher Mensch hat keine Kontrolle über sein Bewusstsein. Ein spiritueller Mensch jedoch kann sein Bewusstsein beherrschen. Er versucht ein besseres Leben, ein höheres Leben zu führen und indem er das versucht, bringt er das Licht des Jenseits in die Dunkelheit der gegenwärtigen Welt herab.

Was ist der Unterschied zwischen menschlichem Bewusstsein und göttlichem Bewusstsein?

Sri Chinmoy: Menschliches Bewusstsein besteht in erster Linie aus Begrenzung, Unvollkommenheit, Bindung und Unwissenheit. Dieses Bewusstsein will hier auf der Erde bleiben. Es findet Freude im Endlichen: in der Familie, in der Gesellschaft, in irdischen Angelegenheiten. Göttliches Bewusstsein besteht aus Frieden, Glückseligkeit, göttlicher Kraft und so weiter. Seine Natur ist es, sich beständig auszudehnen. Menschliches Bewusstsein fühlt, dass es nichts Wichtigeres gibt als irdisches Vergnügen. Göttliches Bewusstsein fühlt, dass es nichts Wichtigeres und Bedeutsameres gibt als himmlische Freude und Glückseligkeit auf Erden. Menschliches Bewusstsein versucht uns davon zu überzeugen, dass wir von Wahrheit und Erfüllung weit entfernt sind. Es versucht uns fühlen zu lassen, dass Gott irgendwo anders ist, Millionen von Meilen entfernt. Doch göttliches Bewusstsein lässt uns fühlen, dass Gott unmittelbar hier ist, in jedem Lebensatem, in jedem Herzschlag, in allem und jedem um uns herum.
Menschliches Bewusstsein lässt uns fühlen, dass wir ohne Gott existieren können. Wenn es sich in tiefer Unwissenheit befindet, fühlt das menschliche Bewusstsein, dass für Gott keinerlei Notwendigkeit besteht. Es gibt Millionen und Milliarden von Menschen, die nicht beten oder meditieren. Sie denken: „Wenn es Gott gibt, dann ist das gut und schön. Wenn es Ihn nicht gibt, haben wir auch nichts verloren.“ Auch wenn sie vielleicht ständig das Wort „Gott“ gebrauchen, interessiert sie die Wirklichkeit, die Existenz Gottes weder im Himmel noch in ihrem alltäglichen irdischen Leben.
Göttliches Bewusstsein ist völlig anders. Selbst das begrenzte göttliche Bewusstsein, das wir haben, lässt uns fühlen, dass in jedem Moment eine höchste Notwendigkeit für Gott besteht. Es lässt uns fühlen, dass wir nur deshalb auf der Erde sind, weil Er existiert. Und wenn wir göttliche Gedanken hegen, lässt uns das göttliche Bewusstsein fühlen, dass Er es ist, der uns inspiriert, diese göttlichen Gedanken zu haben. In allem lässt uns das göttliche Bewusstsein fühlen, dass es einen göttlichen Sinn, eine göttliche Absicht, ein göttliches Ideal, ein göttliches Ziel gibt. Im gewöhnlichen menschlichen Bewusstsein gibt es keinen Sinn, kein positives Ziel; es ist nur ein verrückter Elefant, der Amok läuft.
Im göttlichen Bewusstsein gibt es immer ein Ziel, und dieses Ziel wächst ständig über sich selbst hinaus. Heute betrachten wir etwas als unser Ziel, aber wenn wir die Schwelle unseres Zieles erreichen, sind wir sofort inspiriert, über dieses Ziel hinaus zu gehen. Unser Ziel wird zum Ausgangspunkt für ein höheres Ziel. Das geschieht, weil Gott unaufhörlich über sich Selbst hinaus wächst. Gott ist grenzenlos und unendlich, aber Er transzendiert selbst Seine Eigene Unendlichkeit. Da Gott immerzu Fortschritt macht, machen auch wir Fortschritt, wenn wir im göttlichen Bewusstsein sind. Im göttlichen Bewusstsein dehnt sich alles aus und wächst fortwährend in ein höheres und erfüllenderes Licht hinein.

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