Leiden

Warum müssen wir durch leidvolle Erfahrungen gehen? Können Leid und Schmerz uns helfen, inneren Fortschritt zu machen? Sri Chinmoy zeigt, wie relativ Leid ist.

Der Trauer spirituell begegnen

In seinem Schauspiel “Siddharta wird zum Buddha” schildert Sri Chinmoy den spirituellen Werdegang des Buddha, sein Leben als Prinz, seine Suche nach dem tieferen Sinn des Lebens und nach einem wirksamen Mittel gegen das menschliche Leid. Als Buddha erkannte, dass die Welt voller Krankheit, Tod und Leiden ist, war er entschlossen, einen Weg zu finden, um das Leiden endgültig zu überwinden. Dafür verließ er das luxuriöse Leben im Palast, seine schöne Frau und sein kleines Kind. Sein Herz war so groß, dass es mit der ganzen Welt mitfühlte.
In einem der Kapitel kommt eine Jüngerin verzweifelt zum Buddha, da ihr erstes Kind gestorben ist. Untröstlich über den Verlust nimmt sie Zuflucht bei ihm. Er beauftragt sie, einige Senfkörner von einem Haus zu bringen, wo noch nie jemand gestorben wäre. Nur dann wäre er in der Lage, ihr Kind wiederzuerwecken. Voller Hoffnung geht die Frau von Haus zu Haus, jedoch nur um zu entdecken, dass es keinen einzigen Menschen gibt, der nicht den Verlust eines nahestehenden Menschen zu betrauern hätte. Weinend sucht sie beim Meister Rat, der sie dann auch wirklich trösten kann. Sie erfährt, dass einzig das göttliche Mitleid, die göttliche Liebe dazu in der Lage sind. Sie muss erkennen, dass uns in dieser Welt nichts gehört, auch wenn wir jemanden noch so sehr lieben.

Da es uns allen irgendwann einmal so ergeht, sollten wir einen solchen Schicksalschlag dazu benützen, tiefer zu gehen, unser wirkliches Selbst zu erkennen, die Kraft des spirituellen Lebens zu erfahren suchen. Nur so werden wir über die Trauer hinauswachsen können. Leben ist ewig, seine Formen aber wechseln immerzu. Streben wir danach zu erkennen, dass nur das Göttliche unser ewiger Urgrund ist, dass wir im Göttlichen alle eins und untrennbar sind.

“Die angsteinflößende Frage des Todes
erhebt sich nur in denen,
die den Tod nicht als Heimkehr sehen.” –Sri Chinmoy

Für ein Leben ohne Leiden

“Wenn du aus irgendeinem Grunde leidest,
Nimm ein paar tiefe Atemzüge.
Sie könnten dir von Nutzen sein.” –Sri Chinmoy

In meinem eigenen Leben konnte ich mehr als einmal feststellen, dass die scheinbar so einfachen Ratschläge erleuchteter Meister so unübertroffen wirksam sind. Wie eben tiefes Atemholen in schwierigen Situationen. Das Einfache wird so leicht übersehen, dabei brauchen wir oft nicht mehr als dies. Lasst uns das Einfache schätzen. Lasst uns auch wirklich probieren, was uns die Meister zu sagen haben. Wir suchen immer nach Hilfe, sind oft bereit viel Geld auszugeben in der Hoffnung, unserem Leiden ein Ende zu setzen. Aber warum probieren wir nicht die einfachen Dinge?

Ist Schmerz notwendig?

Sri Chinmoy:
Es gibt die allgemeine Vorstellung, dass unser System gereinigt wird, wenn wir Leid, Not und physischen Schmerz erdulden. Diese Idee hat keine realistische Grundlage. Es gibt viele Menschen, die wegen ihres vergangenen Karmas leiden oder weil ungöttliche Kräfte sie angreifen, aber wir können nicht sagen, dass sie sich dadurch ihrem Ziel nähern, keinesfalls! Sie müssen aufrichtig streben, um ihr Ziel zu erreichen. Wir werden Schmerz nicht willkommen heißen; wir werden versuchen den Schmerz, wenn er auftritt, zu überwinden, weil Schmerz sehr oft unser inneres Streben stört, egal ob es physischer, mentaler oder emotionaler Schmerz ist.
Physischer Schmerz, vitaler Schmerz und mentaler Schmerz müssen entweder bezwungen oder in Freude verwandelt werden durch unseren inneren Ruf nach etwas, das uns wirkliche und dauerhafte Zufriedenheit schenkt. Das Beste ist, unvermeidbaren Schmerz als eine Erfahrung anzunehmen, die in die Erfahrung von Freude verwandelt werden muss. Freude ist die einzige ewige Wirklichkeit, die einzige dauerhafte und anhaltende Wirklichkeit. Es ist absolut falsch zu sagen, dass wir jedes Mal, wenn wir leiden, einen Schritt auf unser Ziel zugehen.
Es ist nicht erforderlich, durch Leiden zu gehen, bevor wir das Königreich der Wonne betreten. Viele Menschen haben Gott durch Liebe verwirklicht. Der Vater empfindet Liebe für das Kind und das Kind empfindet Liebe für den Vater. Diese Liebe trägt uns zu unserem Ziel. Unsere Philosophie betont den positiven Weg, sich der Wahrheit zu nähern. Wir haben begrenztes Licht. Lasst es uns vermehren. Lasst uns von mehr Licht zu unermesslichem Licht, zu unendlichem Licht voranschreiten.
Die höchste Entdeckung ist diese: Wir kamen von der Wonne, wir wachsen in der Wonne, und am Ende unserer Lebensreise kehren wir in die Wonne zurück. Wonne ist im Moment in der inneren Welt, während die äußere Welt voller Leiden ist. Wir sehen die Menschen streiten und kämpfen. Angst, Zweifel, Ärger, Eifersucht und andere ungöttliche Elemente quälen uns. Aber wenn wir tief nach innen tauchen, werden wir mit Hilfe unserer höchsten Meditation entdecken, dass Wonne unser Ursprung, unsere Quelle ist. Wir sehen, dass wir in der Wonne das Kosmische Spiel spielen, und am Ende des Kosmischen Spieles kehren wir wieder in die Wonne zurück.

Warum müssen wir traurige Erfahrungen wie Kummer und Leid durchmachen?

Sri Chinmoy:
Warum machen wir die Erfahrung von Leid? In dieser Welt machen wir bewusst oder unbewusst ständig Fehler. Wenn wir bewusst Fehler machen, sind wir dessen natürlich gewahr. Doch leider merken wir nicht, wie viele Dinge wir unbewusst falsch machen. Diese unbewussten Fehler manifestieren sich in der physischen Welt, und die Auswirkungen kommen als Leid zu uns. Im Falle von gewöhnlichen, nicht strebenden Menschen erwacht nach großem Leid die Aufrichtigkeit, und ihre Seele führt sie zum Wissen und zur Weisheit. Wenn Menschen, die wiederholt Fehler machen, aufrichtiges inneres Streben besitzen und wissen wollen, warum sie leiden, kommt das Licht der Seele zum Vorschein und sagt es ihnen. Wenn wir spirituelle Menschen sind, dann werden wir bewusst versuchen, nichts Falsches zu tun, aber unbewusst machen wir vieles falsch. Wir können unbewusste Fehler nur durch unser inneres Streben, durch unser Gebet und unsere Meditation verhindern. Wenn wir streben, beschützen uns Gottes Gnade und Mitleid.

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