Sri Chinmoy: Es kommt auf den jeweiligen Fall an. Für gewöhnlich begehen Menschen Selbstmord, weil sie der Realität nicht ins Auge schauen können; sie haben emotionale Probleme oder ihre Wünsche sind unerfüllt geblieben. Doch jeder Fall ist anders und die Entscheidung, ob und wie viel die Seele dann leiden muss, liegt bei Gott allein. Spirituelle Meister können ihren Körper jederzeit verlassen, ohne ihm Schaden zuzufügen; sie brauchen sich dazu nicht zu erschießen. Ihre Seele verlässt dann den Körper auf okkulte und spirituelle Weise, nachdem sie vorher von Gott die Erlaubnis dazu erhalten haben.

Sri Chinmoy:
In einer Familie kommt es oft vor, dass die Brüder miteinander kämpfen. Dann sagt die Mutter: „Wenn ihr nicht damit aufhört, werde ich mich umbringen.“ Ich kenne viele Fälle, wo die Eltern Selbstmord begangen haben, wenn sie außerstande waren, die Harmonie in der Familie aufrecht zu erhalten. Dann haben sich die Kinder sofort geändert. Als sie sahen, dass ihre Eltern wegen ihrer Streitereien starben, begannen sie sofort ein neues Leben. Aber es hielt nicht lange an, und bald begannen sie wieder zu streiten.
Vom spirituellen Standpunkt aus hat Selbstmord überhaupt keinen Sinn. Die Mutter hat sich für ihre Kinder geopfert. Sie dachte, dass sie durch ihr eigenes physisches Opfer Harmonie schaffen würde, aber in der vitalen Welt gibt es für sie kein Entkommen, keine Vergebung. Für ihre Dummheit wird sie in die vitale Welt gehen müssen, und dort wird sie bleiben. Warum besaß sie nicht die Weisheit zu erkennen, dass die Kinder nicht ihre Kinder sondern Gottes Kinder sind? Gott gab ihr diese Kinder, warum also wandte sie sich nicht an Gott, damit Er ihr Bewusstsein erleuchten möge? Warum betete sie nicht zu Gott für ihre Harmonie und ihren Frieden?
Die Welt wird so lange unwissend bleiben, bis der Supreme das Weltbewusstsein erleuchten wird. Wenn wir unser eigenes Leben opfern, um Frieden herbei zu führen, werden die Probleme der Welt niemals gelöst werden. Viele Märtyrer, Sucher und spirituelle Größen haben sich getötet, aber das hat die Probleme der Welt nicht gelöst. Diese Probleme werden nur durch inneres Streben gelöst werden, indem wir zu Gott beten, solange wir hier auf Erden sind, damit Er die Welt erleuchten möge. Unser Tod kann niemals das Gesicht der Welt verwandeln. Doch wenn wir Gottes Segen, Gottes Gnade und Gottes Anteilnahme anrufen, werden alle Probleme der Welt schließlich gelöst werden können.

Sri Chinmoy:
Wenn jemand Selbstmord begeht, dann fällt die Seele dieser Person nicht wirklich. Aber sie bleibt an einem bestimmten Ort und wird von unendlich viel mehr Schichten der Unwissenheit bedeckt. Sie wird von der Unwissenheit vollkommen zugedeckt – Schicht um Schicht. Es ist das Bewusstsein des Individuums, welches fällt. Es geht zurück zum Ausgangspunkt, fast bis zum Steinbewusstsein, wo es keine Evolution gibt. Die Seele wird von wuchernder Unwissenheit verdunkelt, das heißt von unendlich vielen Schichten der Unwissenheit. Zuvor bedeckten die Seele vielleicht nur zehn Schichten, aber jetzt sind es zahllose Schichten der Unwissenheit. Die Seele muss wieder von neuem beginnen, diese Schichten eine nach der anderen abzutragen. Natürlich wird es nun für die Seele unendlich viel schwieriger, das Individuum zur vollkommenen Vollkommenheit, zu Befreiung oder Erlösung zu führen.
Doch wenn der Supreme in einem bestimmten Menschen, der Selbstmord begangen hat, wirken möchte, dann bittet der Supreme in sehr, sehr seltenen Fällen die spirituellen Meister, welche die Fähigkeit dazu haben, sich dieser Seele anzunehmen und nicht zuzulassen, dass sie von wuchernder Unwissenheit umhüllt wird. In diesen Fällen genügt das, was die Seele bereits hat, um die Gnade und das Mitleid des Supreme herabzubringen, und Er wird nicht zulassen, dass mehr Schleier als gewöhnlich die Seele bedecken. Aber das geschieht nur zu sehr seltenen Gelegenheiten.
Normalerweise, wenn eine Person Selbstmord begeht, kommt die Entwicklung für den Betreffenden auf unbestimmte Zeit zum Stillstand – für einhundert, zweihundert, fünfhundert, sechshundert Jahre oder sogar noch länger. Er kann sich nicht vorwärts bewegen, und die denkbar schwerste Last legt sich auf seine Schultern. Sein Evolutionsprozess wird angehalten. Da er die Gesetze des Kosmischen Spiels verletzt hat, muss er die kosmische Strafe auf sich nehmen. Diese Strafe kann sich kein Mensch auf Erden vorstellen. Die schlimmste irdische Folter ist nichts im Vergleich zur kosmischen Strafe, die ein Individuum erhält, wenn es Selbstmord begeht.
Du kannst zu den kosmischen Kräften nicht sagen: „Ich habe etwas falsch gemacht, aber das geht euch gar nichts an. Ich werde mein Ziel erreichen, wann immer es mir gefällt.“ Du bist absichtlich aus dem Kosmischen Spiel herausgesprungen, ohne Gottes Erlaubnis und entgegen Seiner Absicht. Er hat dir nicht erlaubt, das Spiel zu verlassen, aber du hast dich aktiv und offen gegen Ihn gestellt und versucht, das Spiel zu ruinieren. Die Strafe für diese falsche Handlung ist äußerst hart. Diese Strafe ist so intensiv, dass wir sie mit unserem menschlichen Herzen nicht fühlen können, dass wir sie uns mit unserem menschlichen Verstand nicht vorstellen können.

Sri Chinmoy:
Man muss das Motiv kennen. Eine Mutter sieht, wie ihr Kind ertrinkt. Sie kann nicht wissen, dass es Gottes Absicht ist, dass sie auf der Erde bleibt und sich um ihre anderen Kinder kümmert. Sie sieht nur, dass ihr Sohn am Ertrinken ist, deshalb versucht sie ihn zu retten. Wenn sie dabei stirbt, ist das kein Selbstmord.

Sri Chinmoy:
Es hängt ganz und gar vom einzelnen Fall ab. Gewöhnlich begehen Menschen Selbstmord, weil sie die Wirklichkeit nicht ertragen können. Sie haben emotionale Probleme, oder ihre Wünsche werden nicht erfüllt. Aber jeder Fall ist anders, und nur Gott kann entscheiden. Was spirituelle Meister angeht, so können sie ihren Körper nach ihrem freien Willen verlassen. Aber sie fügen ihm keinen Schaden zu. Ihre Seele verlässt den Körper auf okkulte und spirituelle Weise. Doch zuerst bitten sie um die Erlaubnis des Supreme.

Sri Chinmoy:
Es hängt von Verdienst und Schuldhaftigkeit ab. Wie unmenschlich und brutal wurden die Menschen während des Krieges in den Konzentrationslagern gequält und getötet. Was, wenn sie ihr Leben lieber selbst beenden wollten, um nicht getötet oder ohne Grund erbarmungslos geschlagen zu werden? Hier gibt es etwas, das wir Gottes Dispens (Erlass) nennen. Nehmen wir einmal an, dass diese Menschen unschuldig sind und nun getötet werden. Oder sie kämpften um ihr Leben und verloren den Kampf. Um nicht vom Feind getötet zu werden, wollen sie sich lieber selbst umbringen.
In Indien und auch anderswo ist es viele Male geschehen, dass zwei Krieger miteinander kämpfen und einer ganz sicher weiß, dass der andere gewonnen hat. Es ist nur noch eine Sache von Minuten oder Sekunden, bevor er getötet werden wird. So setzt er seinem Leben sofort selbst ein Ende. Sein Leiden wird nicht dasselbe sein, als wenn er einfach nur Selbstmord begangen hätte.

Sri Chinmoy:
Nein, das ist nicht dasselbe. Wenn jemand im Krieg zum Opfer wird oder wenn jemand bei einem Autounfall gewaltsam ums Leben kommt, dann haben feindliche Kräfte den Betreffenden getötet. Wenn jemand jedoch seinen Körper zerstört, dann wird er selbst zum Angreifer. Das Opfer und der Angreifer können nicht in dieselbe Kategorie fallen.

Sri Chinmoy:
Selbstmord ist in keinem Falle ein Ausweg. Es gibt kein Entfliehen; es kann kein Entfliehen geben. Wir können aus diesem Raum entkommen, aber dann werden wir in einem anderen Raum gefangen sein.
Wir glauben, dass wir der Welt entfliehen können, wenn wir uns selbst töten. Aber leider ist dies nicht die einzige Welt. Es gibt auch noch andere Welten. In dieser Welt hier kann ich mir das Leben nehmen, aber in einer anderen Welt werde ich mein Dasein fortsetzen müssen. Nein, ich werde dort gefangen werden. Gottes Bewusstsein ist all-durchdringend und Er wird in der Lage sein, mich, den Dieb, zu erwischen.
Warum begehen Menschen Selbstmord? Sie begehen Selbstmord, weil sie sich unglücklich und frustriert fühlen, weil sie sich von anderen nicht verstanden fühlen. Sie glauben, dass sie von ihren zahllosen Verantwortlichkeiten, von innerer Unruhe und Schmerz befreit sein werden, wenn sie Selbstmord begehen. Oder sie fürchten, dass sie erbarmungslos bestraft werden, weil sie viele schlimme Dinge getan haben, und ziehen es daher vor, sich vorher das Leben zu nehmen. Sie suchen also einen Fluchtweg. Aber wer flüchtet? Nicht ein göttlicher Held. Ein Held kämpft; ein Feigling flüchtet. Wenn ich mich auf dem rechten Pfad befinde, werde ich nicht versuchen zu entfliehen. Jemand, der Selbstmord begehen will, ist ein Feigling. Er wagt es nicht, sich der Welt zu stellen.
Zuallererst musst du der Welt ins Gesicht sehen und in der Welt leben, um deine göttlichen Eigenschaften auf der Erde zu begründen. Wenn wir die Welt nicht annehmen, wem können wir dann ins Gesicht sehen? Wenn wir der Welt ins Gesicht sehen und etwas mit der Welt nicht stimmt, dann können wir versuchen, es zu berichtigen. Wenn jemand Selbstmord begeht, begeht er den allerschlimmsten Fehler. Für ihn gibt es mit Sicherheit kein Entkommen, weder in dieser Welt noch in einer anderen Welt. Er tötet nicht nur sich selbst, sondern zerstört auch die fruchtbaren Möglichkeiten seiner zukünftigen Inkarnationen.