Angst und Furcht
Freund oder Feind?
Erstellt von Bhagavantee am 23. June 2011 - 12:33Was für eine Chance, dem größten Feind aller Lebewesen den Kampf anzusagen! Ja, genau das tun wir, wenn wir ein spirituelles Leben beginnen. Wir halten überall Ausschau, wo sich dieser unser Feind verborgen hält. Und es ist zum Staunen, in wieviel Lebenssituationen die Angst regiert. Und noch erstaunlicher ist es, wenn wir bemerken, dass unser Feind eigentlich unser bester Freund ist. Über Jahrtausende haben wir ihm all unsere Aufmerksamkeit geschenkt, haben ihn gehegt und gepflegt, auf ihn gehört, ihn uns zu eigen gemacht.
Wir müssen die tiefsitzende Angst aufspüren, bloßstellen und dann uns von ihr lösen. Wir haben keine andere Wahl, wenn wir Freiheit wollen. Entzünden wir also das Licht der Bewusstseinskraft und richten es in jeden dunklen Winkel unseres Wesens. Dann werden wir feststellen, das unser alter, heißgeliebter Freund keine Macht mehr über uns hat. Die Seele ist furchtlos und steht erhaben über allem, was eng, begrenzt und ängstlich macht!
Ich habe das Gefühl, als ob ich viele Feinde im Leben hätte.
Sri Chinmoy: Wenn ich dich frage, wie viele Feinde du hast, wirst du sagen: „Einige.“ Aber ich muss sagen, dass du Unrecht hast. Du hast nur einen Feind, und das ist alles, obwohl es nach einer ganzen Menge aussieht. Dieser einzige Feind von dir ist Angst, deine unbewusst gehegte Angst. Du hast Angst vor dem inneren Leben. Du glaubst, dass du in dem Moment, wo du dich auf das innere Leben einlässt, verloren, völlig verloren sein wirst, wie ein kleines Kind im Wald. Du denkst vielleicht, dass du Luftschlösser baust, wenn du das innere Leben annimmst. Und schließlich magst du sogar das Gefühl haben, dass das innere Leben anzunehmen bedeutet, dein äußerst kostbares Leben in den Rachen eines brüllenden Löwen zu werfen, der dich und dein äußeres Leben völlig verschlingen wird.
Wie können wir Angst überwinden?
Sri Chinmoy: Angst kann im physischen Körper, im Vitalen, im Mentalen und selbst im Herzen vorkommen. Zuallererst muss man erkennen, wo die Angst sitzt. Wenn sich die Angst im Grobphysischen befindet, dann sollte sich der Betreffende auf das Nabelchakra konzentrieren. Wenn man sich auf das Nabelchakra konzentrieren und mit der Lebenskraft, mit der Lebensenergie im Physischen eins sein kann, dann kann man dort die Angst überwinden.
Wenn man die Angst im Vitalen überwinden will, dann sollte man sich auf das eigene innere Wesen konzentrieren. Aber das ist für Anfänger schwierig, daher rate ich ihnen zu versuchen, das dynamische Vitale in sich auszudehnen. Wir haben zwei Arten von Vitalen. Das eine ist aggressiv, das andere dynamisch. Das dynamische Vitale möchte lieber heute als morgen etwas auf göttliche Weise, auf eine erleuchtete Weise erschaffen. Wenn wir uns auf dieses Vitale konzentrieren oder unsere Aufmerksamkeit auf dieses Vitale richten können, dann dehnen wir unser Bewusstsein im Vitalen aus. Dann kann es dort keine Angst geben.
Um die Angst im Verstand zu überwinden, muss man den Verstand täglich leer machen. Der Verstand ist voller Zweifel, Dunkelheit, Unwissenheit, Misstrauen und so weiter. Früh am Morgen kannst du für zehn Minuten oder so versuchen, keinerlei Gedanken zu haben, weder gute noch schlechte, weder göttliche noch ungöttliche. Wenn ein Gedanke kommt, versuche ihn zu töten. Nach einer Weile lasse nur göttliche Gedanken zu, die deine Freunde sind. Am Anfang weißt du nicht, wer dein Freund und wer dein Feind ist, daher musst du sehr wachsam sein. Später kannst du dann nur deinen Freunden erlauben einzutreten. Deine Freunde sind göttliche Gedanken, progressive Gedanken, erleuchtete Gedanken. Diese Gedanken werden an deiner Statt die Angst im Verstand bezwingen. Fühle, dass dein Verstand wie ein Gefäß ist. Zuerst machst du es leer und dann wartest du, dass Frieden, Licht und Glückseligkeit herabströmen. Doch wenn du das Gefäß nicht zuerst ausleerst, werden Frieden, Licht und Glückseligkeit nicht eintreten können.
Wie kommt es, dass ich mich vor dem inneren Leben fürchte?
Sri Chinmoy: Unsere Welt ist sonderbar. Noch sonderbarer ist unser menschliches Verständnis. Am sonderbarsten ist unsere Furcht vor dem inneren Leben. Die meisten von uns wissen nicht, was das innere Leben ist. Es ist das Leben, das lebt um zu wachsen und das wächst um zu leben.
Du fürchtest dich vor dem inneren Leben. Du glaubst, dass du in dem Moment, da du dich auf das innere Leben einlässt, in einem unbekannten Land verloren, völlig verloren bist. Du denkst vielleicht auch, dass du Luftschlösser baust, indem du das innere Leben annimmst. Und schließlich magst du sogar das Gefühl haben, das innere Leben anzunehmen würde bedeuten, dein äußerst kostbares Leben in den Rachen eines brüllenden Löwen zu werfen, der dich und dein äußeres Leben völlig verschlingen wird.
Du hast unzählige süße Träume, die du in Wirklichkeiten verwandeln möchtest. In allen deinen Träumen willst du die Welt genießen oder du willst der ganzen Welt deine großartige Macht anerbieten. Du hast das Gefühl, dass du all dieser unschätzbaren Errungenschaften beraubt sein wirst, wenn du dich auf das innere Leben einlässt. Das ist der Augenblick, wo Furcht und Angst in Erscheinung treten, und so scheust du natürlich vor dem inneren Leben zurück. Angst beginnt dich zu quälen. Sie versucht dich zu begrenzen und zu binden. Unglücklicherweise gibt dein Leben diesem bedauerlichen Umstand nach.
Wenn du jedoch ein Mal, ein einziges Mal deine lang gehegte Angst mit Hilfe deiner alles belebenden Meditation in die innere Welt tragen würdest, dann würdest du sehen, dass sie dort ihre Daseinsberechtigung verliert.