Meditation
Wie meditiert man?
Sri Chinmoy:
Es gibt zwei Arten zu meditieren: Eine Art ist, den Verstand zum Schweigen zu bringen. Ein gewöhnlicher Mensch glaubt, dass er zum Dummkopf wird, wenn er den Verstand zum Schweigen bringt. Er glaubt, dass der Verstand alles verliert, wenn er nicht mehr denkt. Doch das trifft im spirituellen Leben nicht zu. Wenn wir im spirituellen Leben den Verstand still machen, sehen wir, dass eine neue Schöpfung, ein neues Versprechen an Gott im Verstand erwacht. Im Augenblick haben wir unser Versprechen an Gott nicht erfüllt; wir haben unser Dasein nicht völlig Gott gewidmet. Wenn wir den Verstand still machen können, sind wir in der Lage, Gott zufrieden zu stellen und zu erfüllen.
Eine andere Art zu meditieren ist, das Herz leer zu machen. Im Augenblick ist das Herz voller aufgewühlter Emotionen und emotionaler Probleme, die das unreine Vitale geschaffen hat, welches das Herz umhüllt. Das Herz ist ein Gefäß. Im Augenblick ist dieses Gefäß voll von ungöttlichen Dingen, Dingen, die uns begrenzen und binden. Wenn wir das Gefäß unseres Herzens ausleeren können, dann gibt es jemanden, der es mit göttlichem Frieden, göttlichem Licht und göttlicher Wonne füllen wird, die uns befreien werden. Wenn wir unser Herz der Unwissenheit ausleeren können, wird Gottes Weisheits-Licht kommen und es füllen.
Ist Meditation eine Flucht vor der Welt?
Sri Chinmoy:
Meditation ist keine Flucht. Wenn wir in das Leben der Meditation eintreten, um der Welt zu entfliehen und unser Leiden zu vergessen, dann tun wir es aus dem falschen Grund. Wenn wir in das spirituelle Leben eintreten, weil wir im äußeren Leben frustriert und unzufrieden sind, dann werden wir wahrscheinlich nicht beim spirituellen Leben bleiben. Heute konnte ich meine Wünsche nicht befriedigen, deshalb bin ich mit der Welt unzufrieden. Aber morgen werde ich sagen: „Lass es mich noch einmal versuchen. Vielleicht erhalte ich diesmal Befriedigung.“ Letzten Endes werden wir jedoch spüren, dass uns das Wunschleben niemals zufrieden stellen wird; wir werden fühlen, dass wir in das innere Leben eintreten müssen. Das ist Strebsamkeit. Im Leben des inneren Strebens wollen wir nur Gott. Wenn wir aufrichtig Gott wollen, dann wird Er Sich uns natürlich schenken. Aber Er wird es auf Seine eigene Weise und zu Seiner eigenen Zeit tun.
Warum meditieren wir?
Sri Chinmoy:
Wir meditieren, weil uns diese unsere Welt nicht erfüllen konnte. Der so genannte Frieden, den wir in unserem täglichen Leben fühlen, besteht aus fünf Minuten Frieden nach zehn Stunden Furcht, Sorgen und Frustration. Wir sind ständig ein Spielball der negativen Kräfte, die überall um uns herum sind: Eifersucht, Angst, Zweifel, Sorge, Furcht und Verzweiflung. Diese Kräfte sind wie Äffchen. Wenn sie es müde werden, uns zu beißen, und einige Minuten lang ausruhen, sagen wir, dass wir Frieden haben. Aber das ist kein wirklicher Frieden, und im nächsten Augenblick schon werden sie uns wieder angreifen.
Nur durch Meditation können wir anhaltenden inneren Frieden erlangen. Wenn wir am Morgen seelenvoll meditieren und nur eine Minute lang Frieden erfahren, dann wird diese Minute des Friedens unseren ganzen Tag durchdringen. Und wenn wir eine Meditation höchster Ordnung haben, erhalten wir wirklich bleibenden Frieden, Licht und Wonne. Wir brauchen Meditation, weil wir im Licht wachsen und uns im Licht erfüllen wollen. Wenn dies unser Streben ist, wenn dies unser Durst ist, dann ist Meditation der einzige Weg.
Wenn wir mit dem zufrieden sind, was wir haben und was wir sind, dann besteht für uns keine Notwendigkeit, in die Welt der Meditation einzutreten. Wir beschäftigen uns mit Meditation, weil wir einen inneren Hunger haben. Wir ahnen, dass es in uns etwas Leuchtendes, etwas Weites, etwas Göttliches gibt. Wir fühlen, dass wir dieses Etwas dringend brauchen, nur haben wir im Augenblick keinen Zugang dazu. Unser innerer Hunger kommt von unserem spirituellen Bedürfnis.
Was ist Meditation?
Sri Chinmoy:
Meditation ist das Selbsterwachen des Menschen und das Selbstanerbieten Gottes. Wenn sich das Selbsterwachen des Menschen und das Selbstanerbieten Gottes treffen, wird der Mensch in der inneren Welt unsterblich und Gott in der äußeren Welt erfüllt.
Meditation ist die Sprache Gottes. Wenn wir wissen wollen, was Gottes Wille in unserem Leben ist, wenn wir wollen, dass Gott uns führt, formt und sich in und durch uns erfüllt, dann müssen wir die Sprache der Meditation sprechen. Spiritualität kann nicht durch Ziehen oder Stoßen erreicht werden. Wir können spirituelles Licht nicht auf Biegen und Brechen herab ziehen. Wenn es von selbst herab kommt, werden wir nur durch unser inneres Streben fähig sein, es aufzunehmen. Wenn wir versuchen, das Licht über unsere Aufnahmefähigkeit hinaus herabzuziehen, wird unser inneres Gefäß zerbrechen. Wie können wir dieses Licht von oben empfangen? Wie erweitern wir unser Bewusstsein, so dass unsere Empfänglichkeit wachsen kann? Die Antwort ist Meditation.
Wenn wir meditieren, treten wir in den ruhigen oder stillen, schweigenden Verstand ein. Wir müssen uns vollkommen gewahr sein, wenn Gedanken kommen und uns angreifen. Das bedeutet, dass wir keinem Gedanken, ob göttlich oder ungöttlich, gut oder schlecht, erlauben, in unseren Verstand einzutreten. Unser Verstand sollte absolut still sein. Dann müssen wir tief nach innen tauchen und dort unsere wahre Existenz betrachten. Wenn wir von unserer äußeren Existenz sprechen, sehen wir unsere Gliedmaßen und unseren Körper, den grobphysischen Körper, das ist alles; aber wenn wir tief nach innen gehen, nähern wir uns unserem wahren Sein, und dieses Sein findet sich in den innersten Winkeln unserer Seele. Wenn wir in der Seele leben, fühlen wir, dass wir tatsächlich spontan meditieren.
Meditation ist der Zustand unseres Bewusstseins, in welchem das innere Wesen, anstatt Millionen von Gedanken zu hegen, nur mit Gott Zwiesprache halten will. Meditation ist die Sprache Gottes wie auch des Menschen. Jetzt spreche ich Englisch und ihr könnt mich verstehen, weil ihr die englische Sprache gut beherrscht. Genauso wird jemand, der gut meditieren kann, fähig sein, mit Gott zu sprechen.