Sri Chinmoy:
Während der Zeit, da Nigamananda spirituelle Askese übte, kam er eines Tages an einem Tempel vorbei, der einer älteren Frau gehörte. Die Frau bat den Sadhu, für eine Weile in ihrem Tempel zu bleiben, und er war so gütig, ihre Bitte zu erfüllen. Schließlich bat sie ihn, die Verantwortung für den Tempel zu übernehmen, und er willigte ein. Mit der Zeit begannen sie eine große Zuneigung zueinander zu entwickeln. Sie gab ihm all ihre mütterliche Liebe und er zeigte ihr alle guten Eigenschaften seines Herzens.
Eines Tages kam eine schöne junge Frau in den Tempel. Sie war von Nigamanandas seelenvoller Schönheit zutiefst verzaubert und wollte den Tempel nicht mehr verlassen. Nigamananda und sie führten ernsthafte spirituelle Gespräche und er war von ihren aufrichtigen spirituellen Qualitäten und ihrem tiefen spirituellen Verständnis sehr berührt.
Der Besitzerin des Tempels gefiel das überhaupt nicht. Sie hatte das Gefühl, dass Nigamanandas Spiritualität in Gefahr war. Sie beschimpfte die junge Frau, damit sie den Tempel verlassen würde. Aber die junge Frau hatte sich unsterblich in Nigamananda verliebt und war fest entschlossen zu bleiben. Und allmählich wurde auch Nigamananda schwach.
Eines Tages sagte die junge Frau zu ihm: „Ich besitze einigen Reichtum und ich will dich mit in mein Haus nehmen. Ich versichere dir, dass deine Spiritualität nicht beeinträchtigt werden wird. Im Gegenteil, ich werde dir helfen, Tag und Nacht zu meditieren. Lass uns heiraten. Wenn wir verheiratet sind, wird es für mich selbstverständlich sein, dir zu helfen, und die Gesellschaft wird uns nicht kritisieren. Du wirst in der Lage sein, deine Reise zu Gott zu beschleunigen.“ So beschlossen sie, in zwei Wochen zu heiraten.
Ehe die zwei Wochen vergangen waren, erschien eines Nachts Nigamananda im Traum sein Meister mit einem leuchtenden Gesicht. Der Meister hatte einen Stock bei sich, und bald musste Nigamananda zu seinem Entsetzen sehen, dass der Meister seine Freundin grün und blau schlug. Der Meister beschimpfte sie und schlug sie bewusstlos. Dann segnete er Nigamananda und sagte zu ihm: „Verlasse sofort diesen Ort! Diese Frau wird dir bei deiner Gott-Verwirklichung nicht helfen, sondern dir alles innere Streben, das du jetzt hast, rauben und aus dir einen Straßenbettler machen.“
Selbstverständlich gehorchte Nigamananda sofort seinem Meister.
Ein aufrichtiger Sucher muss jederzeit äußerst wachsam sein, denn die Kräfte des niederen Vitalen können ihn leicht seines inneren Strebens berauben. Bis die Gott-Verwirklichung eintritt, kann er immer in Versuchung geführt werden, und er kann leicht vom Pfad der Wahrheit und des Lichts abkommen. Das Wesen der äußeren Welt ist Versuchung. Um die Versuchung zu überwinden, muss der Sucher ständig wachsam sein und immer auf die Gebote seines inneren Willens hören, nicht auf die Einflüsterungen der äußeren Welt.

Sri Chinmoy:
Natürlich. Ohne sexuelle Enthaltsamkeit kann es kein echtes spirituelles Leben geben, von Gott-Verwirklichung ganz zu schweigen.